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Die drei Fenster

oder

Die Geschichte einer dreifachen Verlobung

Krafft v. Restorff (Rakow)
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Krafft v. Restorff
        ca. 1939

Drei große Fenster erhellen den Saal,

Drei Fenster mit weißen Gardinen. 

Da hat Frau Sonne so manchesmal

Gar freundlich hereingeschienen.

 

Und an den Scheiben, jahrein, jahraus

Sind die Regentropfen gelaufen,

Wenn draußen in wildem, gewaltigem Strauß

Der Sturm und die Rüstern sich raufen.

 

Und hat doch ein Fenster ein glattes Gesicht,

Hat’s all die Jahre getragen,

Und erzählen - erzählen, das tun sie nicht.

So muß ich die Chronik befragen.

 

Ich forschte und hört’ eine seltene Mär

Von einem gar prächtigen Feste:

Bald ist es einhundert Jahre her,

Da luden die Rakower Gäste.
 


Die drei Fenster im Saal
vom Park aus gesehen

 

Im Saale spielten die Musici,

Es lockten und jauchzten die Geigen,

Die Flöte blies schelmisch ihr „Tirili“,

Und es tanzten die Paare den Reigen.

 

Die Seide der Damen knisterte leis’,

Es strahlten festlich die Kerzen,

Und Amor, der Knabe, schoß naseweis

Mit goldenem Pfeil nach den Herzen.

 

Die Marie von Stenglin konnt’ zierlich und weich

In schwebendem Tanze sich wiegen,

Dem Titus von Restorff gefiel sie gleich. -

Die Gardinen waren verschwiegen!

 

Durch die Fenster fiel traumhaftes Mondenlicht.

Die Fenster, die haben’s gesehen,

Doch erzählen - erzählen, das tun sie nicht,

Was dann mit den beiden geschehen.
 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Gardinen waren fein dicht und rot,

Die damals im Saale gehangen,

Und doch kam Titus in große Not,

Denn er war noch jung und befangen.

 

Von der Mütter nickendem, flüsterndem Hauf

Tat keine das Paar schon vermissen,

Nur die lustige Flöte verstand sich darauf,

Und sie schien es auch diesmal zu wissen.

 

Der Bruder Otto, Baron Stenglin,

Der liebte das Restorff-Luischen,

Zum zweiten der Fenster, da führt’ er sie hin,

Und sie küßten sich heimlich ein bißchen.

 

Die Musik spielte lauter im Rakower Saal,

Übertönte das trauliche Flüstern,

Und im Luftzug flackerten auf zumal

Die Kerzen in Leuchtern und Lüstern.

 

 

 


Heinrich v. Restorff

Und dem Heinrich Restorff lächelte zu

Die Freiin Stenglin - Wilhelmine,

Hob über dem seidenen Damenschuh

Graziös die Taffetkrinoline.

 

Ihr Tänzer, als er sie angeschaut,

Sein Herz fühlt’ liebend er schlagen, -

Im dritten der Fenster, da ward sie die Braut

Des Erben von Rosenhagen.

 

Und als ein Brautpaar und noch eins erschien,

Da gab es viel Freude und Jubel,

Und selten sah wohl das Land Schwerin

Solch jauchzenden, festlichen Trubel.


Wilhelmine v. Restorff
geb. Freiin v. Stenglin


Titus v. Restorff

Nur dem Titus, der doch die Erfindung gemacht,

Dem war das Herz so beklommen,

Aber endlich hat er ihr alles gesagt;

Sind wieder zum Vorschein gekommen.

 

Und als sie’s gestanden, da - glaubte man’s nicht,

Aber doch schon nach ein, zwei Jahren

Hat Titus Marien geehelicht, -

Und so hab’ die Mär ich erfahren.

 

 


Marie v. Restorff,
geb. Freiin v. Stenglin

 

 

 

So kann es sich damals etwa im Jahre 1833 zugetragen haben im Rakower Saal.

Krafft schreibt in dem Gedicht: "Bald sind es einhundert Jahre her..." Daraus schließe ich, dass er es vor 1933 verfasst hat - wahrscheinlich zur Hochzeit seines liebsten Freundes Joachim v. Hennigs mit Brigitte v. R. am 6. 11. 1928 in Rosenhagen. Zu der Zeit war er 23 Jahre alt. Es war die zweite Hochzeit Hennigs/Restorff in Rosenhagen, denn bereits am 4. 6. 1926 hatte Eva (Evchen) Restorff in Rosenhagen Hermann Hennigs geheiratet. Es fanden also in Rosenhagen zwei Geschwisterehen statt, vergleichbar eben der damaligen dreifachen Verlobung und den nachfolgenden drei Geschwister-Hochzeiten Restorff/Stenglin hundert Jahre zuvor.
 

 

 

 

Im 19. Jahrhundert heirateten kurz hintereinander
jeweils drei Geschwister Stenglin und Restorff

 

am 17. 05. 1834 in Gresse/Beckendorf 
 Heinrich Friedrich Daniel Cord v. Restorff,  * Rakow 9. 9. 1798,

     - Haus Rosenhagen -
und

 Wilhelmine Louise Freiin v. Stenglin,  * Erfurt 1. 11. 1807;               

 

          

am 05. 06. 1834 in Rakow

 Otto Henning Freiherr v. Stenglin, * Erfurt 3. 2. 1802,

     und 

 Louise Friederike Jeannette v. Restorff,  * 25. 3. 1807 in Rakow;

                 - Haus Rakow -

 

 

am 02. 01. 1835 in Gresse/Beckendorf   

 Titus Ferdinand Cord v. Restorff,  * Rakow 4. 4. 1801,

     - Haus Rakow -
       und

 Marie Amalie Hedwig Freiin v. Stenglin, * Berlin 6. 5. 1813               

  Im 20. Jahrhundert heirateten kurz hintereinander

am 4. 06. 1926 in Rosenhagen
 Eva Wilhelmine Helene v. Restorff  * Wismar 22. 03. 1905
     und 
 Hermann Fritz v. Hennigs,  * Techlin 26. 01. 1896

am 6. 11. 1928 in Rosenhagen
 Brigitte Hedwig Ottilie v. Restorff,  * Allenstein 09. 01. 1902
     und
 Joachim Theodor v. Hennigs,  * Techlin  27. 03. 1901

     die Mutter der beiden Brüder v. Hennigs war 
     Hedwig Alberta Marie Adolfine Fanny v. Restorff,
       * Radegast 24. 1. 1872, + Techlin 11. 6. 1922,
     die am  25. 01. 1895 auf Radegast
     Fritz Ernst Paridam v. Hennigs,
        * Techlin 6. 9. 1863, + Rostock 16. 11. 1919
     geheiratet hatte.

 

Im November 1947, am Abend der Hochzeit der damaligen Kronprinzessin Elizabeth von England mit dem deutsch-griechischen Prinzen Philipp, las uns unsere Mutter dieses Gedicht unseres Vaters vor – für uns damalige Flüchtlingskinder ein eindrucksvolles und unvergessliches Erlebnis. An diesem Abend begann mein lebenslanges Interesse an der Familiengeschichte.

 MCWvR / 2007

 

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Die folgenden Bilder (im oberen Bild die unübersichtliche Übersicht) zeigen, dass die drei Stenglin (unteres Bild) und die drei Restorff (mittleres Bild) Geschwister waren. Die Mutter (Caroline v. R. geb. Freiin v. Stenglin) eine Tante der drei Geschwister Stenglin, wurde damit ihre Schwiegermutter.