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Die drei Fenster oder Die Geschichte einer dreifachen Verlobung Krafft v.
Restorff (Rakow)
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Krafft v. Restorff |
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Drei große Fenster erhellen den Saal, Drei Fenster mit weißen Gardinen. Da hat Frau Sonne so manchesmal Gar freundlich hereingeschienen.
Und an den Scheiben, jahrein, jahraus Sind die Regentropfen gelaufen, Wenn draußen in wildem, gewaltigem Strauß Der Sturm und die Rüstern sich raufen.
Und hat doch ein Fenster ein glattes Gesicht, Hat’s all die Jahre getragen, Und erzählen - erzählen, das tun sie nicht. So muß ich die Chronik befragen.
Ich forschte und hört’ eine seltene Mär Von einem gar prächtigen Feste: Bald ist es einhundert Jahre her, Da luden die Rakower Gäste. |
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Im Saale spielten die Musici, Es lockten und jauchzten die Geigen, Die Flöte blies schelmisch ihr „Tirili“, Und es tanzten die Paare den Reigen.
Die Seide der Damen knisterte leis’, Es strahlten festlich die Kerzen, Und Amor, der Knabe, schoß naseweis Mit goldenem Pfeil nach den Herzen.
Die Marie von Stenglin konnt’ zierlich und weich In schwebendem Tanze sich wiegen, Dem Titus von Restorff gefiel sie gleich. - Die Gardinen waren verschwiegen!
Durch die Fenster fiel traumhaftes Mondenlicht. Die Fenster, die haben’s gesehen, Doch erzählen - erzählen, das tun sie nicht, Was dann mit den beiden
geschehen. |
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Die Gardinen waren fein dicht und rot, Die damals im Saale gehangen, Und doch kam Titus in große Not, Denn er war noch jung und befangen.
Von der Mütter nickendem, flüsterndem Hauf Tat keine das Paar schon vermissen, Nur die lustige Flöte verstand sich darauf, Und sie schien es auch diesmal zu wissen.
Der Bruder Otto, Baron Stenglin, Der liebte das Restorff-Luischen, Zum zweiten der Fenster, da führt’ er sie hin, Und sie küßten sich heimlich ein bißchen.
Die Musik spielte lauter im Rakower Saal, Übertönte das trauliche Flüstern, Und im Luftzug flackerten auf zumal Die Kerzen in Leuchtern und Lüstern.
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Und dem Heinrich Restorff lächelte zu Die Freiin Stenglin - Wilhelmine, Hob über dem seidenen Damenschuh Graziös die Taffetkrinoline.
Ihr Tänzer, als er sie angeschaut, Sein Herz fühlt’ liebend er schlagen, - Im dritten der Fenster, da ward sie die Braut Des Erben von Rosenhagen.
Und als ein Brautpaar und noch eins erschien, Da gab es viel Freude und Jubel, Und selten sah wohl das Land Schwerin Solch jauchzenden, festlichen Trubel. |
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Nur dem Titus, der doch die Erfindung gemacht, Dem war das Herz so beklommen, Aber endlich hat er ihr alles gesagt; Sind wieder zum Vorschein gekommen.
Und als sie’s gestanden, da - glaubte man’s nicht, Aber doch schon nach ein, zwei Jahren Hat Titus Marien geehelicht, - Und so hab’ die Mär ich erfahren.
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So kann es sich damals etwa im
Jahre 1833 zugetragen haben im Rakower Saal.
Krafft schreibt in
dem Gedicht: "Bald sind es einhundert Jahre her..." Daraus
schließe ich, dass er es vor 1933 verfasst hat - wahrscheinlich
zur Hochzeit seines liebsten Freundes Joachim v. Hennigs mit
Brigitte v. R. am 6. 11. 1928 in Rosenhagen. Zu der Zeit war er
23 Jahre alt. Es war die zweite Hochzeit Hennigs/Restorff in
Rosenhagen, denn bereits am 4. 6. 1926 hatte Eva (Evchen)
Restorff in Rosenhagen Hermann Hennigs geheiratet. Es fanden
also in Rosenhagen zwei Geschwisterehen statt, vergleichbar eben
der damaligen dreifachen Verlobung und den nachfolgenden drei
Geschwister-Hochzeiten Restorff/Stenglin hundert Jahre zuvor.
Im
19. Jahrhundert heirateten kurz hintereinander
am 17. 05. 1834 in Gresse/Beckendorf
- Haus Rosenhagen - Wilhelmine Louise Freiin v. Stenglin, * Erfurt 1. 11. 1807;
am 05. 06. 1834 in Rakow Otto Henning Freiherr v. Stenglin, * Erfurt 3. 2. 1802, und Louise Friederike Jeannette v. Restorff, * 25. 3. 1807 in Rakow; - Haus Rakow -
am 02. 01. 1835 in Gresse/Beckendorf Titus Ferdinand Cord v. Restorff, * Rakow 4. 4. 1801,
- Haus Rakow - Marie Amalie Hedwig Freiin v. Stenglin, * Berlin 6. 5. 1813 |
Im 20. Jahrhundert
heirateten kurz hintereinander
am 4. 06. 1926 in Rosenhagen am 6. 11. 1928 in Rosenhagen die Mutter der beiden
Brüder v. Hennigs war |
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Im November 1947, am Abend der Hochzeit der damaligen Kronprinzessin Elizabeth von England mit dem deutsch-griechischen Prinzen Philipp, las uns unsere Mutter dieses Gedicht unseres Vaters vor – für uns damalige Flüchtlingskinder ein eindrucksvolles und unvergessliches Erlebnis. An diesem Abend begann mein lebenslanges Interesse an der Familiengeschichte. MCWvR / 2007 |
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Die folgenden Bilder (im oberen Bild die unübersichtliche Übersicht) zeigen, dass die drei Stenglin (unteres Bild) und die drei Restorff (mittleres Bild) Geschwister waren. Die Mutter (Caroline v. R. geb. Freiin v. Stenglin) eine Tante der drei Geschwister Stenglin, wurde damit ihre Schwiegermutter.