Rakow

 

Wo dei Möwen öwer die Felder trecken  

un dei Böhm ehr Telk’n in dei Lüfte recken,

wo dei Sturm towt dörch dat Holt  

un dei Winter is so kolt –   

: Dor is Rakow, dat schöne Nest, 

  von all dei Dörper doch dat best.          

 

 

Wo dei Arbeiter dags sien Arbeit makt   

un dei Frug’n tau Hus dat Et’n kakt,         

wo sei niegierig ut dei Finster kiek’n,      

un dei Händler nich von dei Dörn wiek’n –

: Dor is Rakow, dat schöne Nest, 

  von all dei Dörper doch dat best.          

 

 

Wo ab’ns dei Nachtwächter nah’n Hof hengeiht

und dann un wann sien’n Hund mal fleiht,         

wo dei Mahn hoch an denn Himmel lacht         

un dei Nachtwächter tru denn Hof bewacht –

: Dor is Rakow, u. s. w.       

 

Wo dei Inspektor op sienen Fossen ritt  

un dei Sekretärin bi ehr Bäuker sitt,        

wo dei Kinner späl’n op dei Strat  

un sick nich giern befählen lat –  

: Dor is Rakow, u. s. w.       

 

Wo in dei Aust dei Landlüd sweit’n          

un wi in Gorn dei Plant’n geit’n,    

wo Wag för Wag in dat Dor rinrollt           

un öwer dei See dei Donner grollt –        

: Dor is Rakow, u. s. w.       

 

Wo dei Herr Major öwern Acker geht      

un dei Wirtschafter bi denn Damper steht,

wo dat Korn denn russelt in denn Sack  

un dat Stroh ward in dei Miet’n packt –   

: Dor is Rakow, u. s. w.       

 

Wo dei Harwst dat Low makt gäl  

Un dei Aust uns bringt so väl,      

wo jedes Johr taun Erntebier        

ne Kau slacht ward, wiet ümmer wier –   

: Dor is Rakow, u. s. w.       

 

Wo dei Kranken ward dei Supp henbröcht  

un dei Arzt ehr denn so schnell besöcht,           

wo jedes Johr taun Wiehnachtsfest         

dei Kinner krieg’n von Hof dat best –      

: Dor is Rakow, dat schöne Nest,

  u. s. w.         

 

Wo in Winter is Hasenjagd           

un in dat Dörp dei Swien ward slacht,     

wo trotz Schimpen un trotz Räd’n 

dei Görn führt mit ehren Släd’n – 

: Dor is Rakow, dat schöne Nest, 

von all dei Dörper doch dat best. 

 

Unser Wirken un Schaffen is Symphonie,        

dat gribbt ineinander, man weit nich wie.

Un wer in Rakow hett Wöddel slan,         

dei will dor nich mehr rutergahn.  

Wo die Möwen über die Felder zieh’n

und die Bäume ihre Zweige in die Lüfte recken,

wo der Sturm tobt durch das Holz

und der Winter ist so kalt –

: Da ist Rakow, das schöne Nest,

  von all’ den Dörfern doch das best’.

 

 

Wo der Arbeiter tagsüber seine Arbeit macht

und die Frau zu Hause das Essen kocht,

wo sie neugierig aus dem Fenster gucken

und die Händler nicht von den Türen weichen -  

: Da ist Rakow, das schöne Nest,

  von all den Dörfern doch das best’.

 

 

Wo abends der Nachtwächter zum Hof hingeht

und dann und wann seinen Hund mal flöht,

wo der Mond hoch an dem Himmel lacht

und der Nachtwächter treu den Hof bewacht -

: Da ist Rakow, u. s. w.

 

Wo der Inspektor auf seinem Fuchs reitet

und die Sekretärin bei ihren Büchern sitzt,

wo die Kinder auf der Straße spielen

und sich nicht gern befehlen lassen –

: Da ist Rakow, u. s. w.

 

Wo bei der Ernte die Landleute schwitzen

und wir im Garten die Pflanzen gießen,

wo Wagen für Wagen in das Tor reinrollt

und über der See der Donner grollt –

: Da ist Rakow, u. s. w.

 

Wo der Herr Major übern Acker geht

und der Wirtschafter bei der Dampfmaschine steht,

wo das Korn dann rieselt in den Sack

und das Stroh wird in die Miete gepackt –

: Da ist Rakow, u. s. w.

 

Wo der Herbst das Laub gelb macht

und die Ernte uns so viel bringt,

wo jedes Jahr zum Erntebier

’ne Kuh geschlachtet wird, wie’s immer war –

: Da ist Rakow, u. s. w.

 

Wo den Kranken die Suppe hingebracht wird

und der Arzt sie dann so schnell besucht,

wo jedes Jahr zum Weihnachtsfest

die Kinder kriegen vom Hof das Best’ –

: Da ist Rakow, das schöne Nest,

  u. s. w.

 

Wo im Winter ist Hasenjagd

und im Dorf die Schweine geschlachtet werden,

wo trotz Schimpfen und trotz Reden

die Gören fahren mit ihren Schlitten -

: Da ist Rakow, das schöne Nest,

  von all’ den Dörfern doch das best’.

 

Unser Wirken und Schaffen ist Symphonie,

Das greift ineinander, man weiß nicht wie.

Und wer in Rakow Wurzeln geschlagen hat,

der will dort nicht mehr ‚rausgehen.

 

 

 

„dei“ wird gesprochen wie geschrieben, also nicht „ei“ wie das Hühnerei, sondern „d – e – i“.

 

 

Renate Hermann-Winter:

Kleines mecklenburg-vorpommersches Wörterbuch,

Reclam Verlag Leipzig 1995:

 

S. 123: Telch, Telgen m. Zweig, Ast, meist armdick, Pl. Telgen.

S.   20: Aust f., m. Ernte, Zeit der Kornernte: Roggen-, Weiten-, Hawer- und Gastenaust,

S.   50: Harfst, Harst m. Herbst.

S. 147: Wördel, Wöddel f. Wurzel, Mohrrübe, Pl. Wöddeln. 

 

 

Der Verfasser ist unbekannt, vielleicht Werner Köpke, der Rakower Lehrer?

In der Gedichtsammlung vom Kutscher Wilhelm Träger ist es nicht enthalten.

 

MCWvR / 2006

 

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